Leopold Wohlschlager

k.k. österreichischer und später tschechoslowakischer Staatshenker
Im 1855 in Osijeko (Kroatien) geb. – im 1929 in Prag gest.

Leopold Wohlschläger

Leopold Wohlschläger wurde in Österreich-Ungarn ein der fünf Henker für die damalige Monarchie, für die Böhmische Länder festgesetzt. Weitere Henker hatten ihre Standorte in Wien, Budapest, Osijeko und Graz. Nach dem Jahre 1918 wurde er auch Staatshenker für Böhmen und Mähren in der damaligen Tschechoslowakischen Republik. In seinem Leben vollstreckte er 24 Exekutionen.

Sein Vater lebte in Osijeko und hatte hier eine Gaststätte. Wenn junger Leopold 6-jährig war, verstarb sein Vater unter unklaren Umständen (vielleicht wurde er ermordet). Seine Mutter vermählte sich wieder, ihr neue Mann, Johann Täufer Pippiger aus Zagreb war Polsterer und ab seiner 24 Jahren auch Henker "traditionsmäßig" - denselben Beruf übte in Graz auch sein Vater und in Osijeko sein älter Bruder aus (Pippiger hatte 15 Geschwister). Im Jahre 1865 bat Pippiger um Versetzung nach Wien, weil dortiger Henker verstarb. Statt Wien wurde er jedoch nach Prag versetzt und mit einem kaiserlichen Dekret aus dem 21. November 1865 zum k. k. Henker für böhmisches Königtum ernannt.

An ersten Hinrichtungen nahm Leopold Wohlschläger als Helfer seines Stiefvaters in seinen 15 Jahren teil. Es kam dazu am frühen Morgen den 8. September 1871 auf dem Exerzierplatz in Pilsen-Bory. Unter starker Militärassistenz und 15.000 Zuschauer wurde Zigeuner Jan Janeček hingerichtet, Doppelmörder und Räuber, der mit seiner einundzwanziggliedrigen Zigeunerbande 1,5 Jahre fast ganzes Westböhmen plagte. Junger Henkeranwärter hatte einige Aufgaben. Einen Tag vor der Exekution half er Galden zu bauen und den Platz ringsum vorzubereiten. Bei der Exekution zog er gemeinsam mit anderem Helfer Seil mit Körper des Verurteilten in die Höhe. Am Abend nahm er am Abtragen des Gehenkten und am Begraben bei dem Galden teil.

In der Nacht kam er dann mit seinem Stiefvater und weiterem Helfer zurück. Auf Anordnung des Gerichtes mussten sie heimlich den Körper des Gehenkten ausgraben und an einen anderen Ort überführen. Ämter stellten nämlich fest, dass in Wälder in der Pilsenumgebung Zigeunenhorden lagern und in der Absicht haben, Janečekskörper auszugraben und weggeführen. Diese Exekution wird wie die letzte öffentliche Exekution in den böhmischen Ländern bezeichnet. Im Wirklichkeit fand die letzte öffentliche Exekution am 22. Mai 1946 vor Pankrácgefängnis in Prag statt. An diesem Tag wurde unter Teilnehmen einiger Tausende Leute Nazi K. H. Frank hingerichtet.

In der Zeit seiner ersten Teilnahme an der Exekution lernte Wohlschläger Juwelier bei dem Juweliermeister Studený in Konviktstraße in Prag und lebte mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in einem harmonischen Verhältnis in Platnéřstraße. Johann Täufer Pippiger liebte nicht nur seine Familie, sondern auch Gesellschaft und er selber war ein guter und lustiger Partner. Sehr oft ging er in die Gaststätte "Černý pivovar" und es hinderte niemandem, dass er von Zeit zu Zeit einen Mensch hinrichtete. Seinen Henkerberuf präsentierte er sogar öffentlich mit seiner Visitenkarte an der Wohnungstür. Vor jeder Exekution reichte er die Hand dem Verurteilten und sagte: "Ich bin wirklich froh, dass ich sie kennenlerne. Schade, dass unsere Bekanntschaft nicht lange dauert."

Es kam aber der 6. Dezember 1872. An diesem Tag verstarb Frau Pippiger nach achttägiger Krankheit (Wohlschlägers Mutter) und Johann Täufer Pippiger wurde verhaftet und eingesperrt. Er wurde verdächtig, dass er seine Frau vergiftete. Im Gefängnis blieb er 6 Tage, dann wurde es festgestellt, dass Frau Pippiger nach dem Genuss verdorbenen Leberwürste verstarb. Inzwischen wurde sie begraben. Ihr Mann durfte nicht am Begängnis teilnehmen und aus dem Gefängnis kam wie ein psychisch zerbrochener Mann zurück.

Johann Täufer Pippiger starb am 15. Januar 1888 im Alter von 50 Jahren. Ein Tag vor seinem Tod richtete er noch in Kutná Hora Gebrüder August und Karel Přenosil hin, die einen Gendarmen, der sie bei einem Einbruchversuch ertappte, ermordeten. In 23 Jahren seines Diensts richtete er insgesamt 50 Verbrecher hin.

Auf die freigewordene Stelle meldeten 28 Anwärter sich an, mit verchiedenen Professionen, es fehlte sogar nicht ein Metzger, ein Soldat oder einige erfolglose Medizinerstudenten. Das Prager Strafgericht berief mit seiner Entscheidung aus dem 24. Juni 1888 ins Amt Henker 33-jährigen Juwelier Leopold Wohlschläger. Die Berufung unterschrieb Präsident des Oberlandesgerichtes in Prag Rumler von Aichenwehr. Das Grundgehalt wurde in der Höhe 800 Gulden pro Jahr festgelegt und für jede Exekution sollte ihm weitere 25 Gulden bezahlen.

Die erste selbstständige Hinrichtung vollstreckte Leopold Wohlschläger am 11. October 1895 im Hof des Landesstrafgerichts auf dem Karlsplatz in Prag. An diesem Tag kam 22-jähriger Bergmann Antonín Hofman "amtlich" ums Leben. Dieser Mann erschoss auf dem Schacht in Březové Hory bei Příbram den Hütteninspektor Karel Rejt und den Obersteiger Kajetán Čermák, weil er in ihnen "Ausbeuter" sah. Das Tatmotiv kann man als das nationalistisch und politisch bezeichnen. Antonín Hofmann wurde wie ein bewusste Tscheche bekannt und kritisierte oft den Inspektor Rejt, der sich für Deutschen erklärte. Rejt schimpfte oft den tschechischen Bergleuten, er lästerte sie. Der Konflikt kulminierte damit, dass Rejt Kündigungen für Antnonín Hofmann und seinen Vater sorgte. Der junge Hofmann kaufte dann einen Revolver und damit er den Inspektor erschoss. Čermák kam ums Leben wegen Sympathien zum Rejt. Nach dem Mord blieb Hofmann im Büro und wartete auf Gendarmen.

Die Exekution Hofmanns rief eine große Öffentlichkeitinteresse hervor. Hunderte Menschen drängten sich auf dem Karlsplatz und alle empört skandierten: "Begnadigung, Begnadigung!" Wohlschläger mit seiner Begleitung hatten große Probleme ins Gerichtsgebäude kommen. Wenn ging Hofmann aus dem Gebäude in den Hof mit dem Galden aus, proklamierte er gegenösterreichische Parolen, deswegen Präsident des Gerichts einen Befehl zum Trommeln gab. Noch vor seinem Tod schaffte er aufzuschreien: "Töten sie Kaiser, Tot dem Kaiser!" Das war die einzige Exekution Wohlschlägers, wenn der Täter für wirklich politische Zielen mordete.

Nicht lange nach dieser Exekution heiratete Wohlschläger und zog in ein Haus in Kaprstraße um, gegenüber damaligen Café "Zu drei Karpfen". Im Laufe der Ehe bekam er drei Töchter und einen Sohn, der im ersten Weltkrieg umkam. Zum Unterschied von seinem Stiefvater besuchte er keine Gaststätten und Cafés. Er beeindruckte als ein friedfertiger Mann und hasste Blick auf Blut. Zwischen Exekutionen arbeitete er in einer Juwelierwerkstatt in Příčnástraße.

Leopold Wohlschläger musste auch eine Frau - 30-jährige Julie Humlová hinrichten. Es geschah am 2. Januar 1900 auf dem Hof des Landesstrafgerichts in Wien. Zur Todestrafe wurde Humlová für Mord ihrer 5-jährigen unehelichen Tochter Anna verurteilt. Humlová verweigerte ihr Ernährung, brutal schlug sie mit harten Gegenständen und verursachte ihr solche Verletzungen, dass Anna am 9. März 1899 verstarb. Dazu war sie für brutale Behandlung zu ihrem Kind schon einmal verurteilt. Weil der Wiener Henker Seelinger im Jahre 1899 verstarb und bisher kein neue Henker ernannt wurde, wurde gerade Leopold Wohlschläger zur Exekution berufen. Sogar spekulierte man damit, dass er seine Profession nicht nur für das Böhmische Königtum, sondern auch für die Österreichische Länder verführen könnte. Die Exekution verlief jedoch sehr dramatisch. Bevor Humlová verstarb, starb sie einige Minuten in Krämpfen. Es war einigen Mitgliedern der Gerichtskommission übel. Der Exekutionsfehlschlag sah Wohlschläger in "Wiener Richtgeräten", die er vor der Exekution nicht kennenlernen konnte. Statt Seelinger wurde dann nicht Leopold Wohlschläger, sondern Wiener Cafebesitzer Lang ernannt.

Die letzte Hinrichtung in der Österreichisch-ungarischen Monarchie (19. in Folge) führte Leopold Wohlschläger am 26. Mai 1903 in Eger aus. An diesem Tag richtete er 42-jährigen Kellner Antonín Fischer aus Nouzov bei Rakovník für Raubmord Gastwirts Albert Hönisch hin, der hatte ein Waldrestaurant bei Karlsbad.

Photo eines Teils Todesurteil - Antonín Fischer

Photo eines Teils Todesurteil - Antonín Fischer

Nach dem Jahre 1918 wurde Wohlschläger wieder in die Funktion Staatshenker ernennt, sein Jahresgehalt war 15.000,- Kč (Kronen). Für jede Hinrichtung bekam er dann weitere 500,- Kč. Bevor er in seinen 74 Jahren in die Pension ging, führte er weitere 5 Exekutionen aus. Am 9. Januar 1923 richtete er in Tábor 36-jährigen Ludvík Novák aus Malý Bednárec für Mord zwei Metzger hin. Um 15 Tage später exekutierte 26-jährigen Josef Kolínský aus Prag für Mord Uhrmachers und Juweliers Josef Ledecký, seiner Frau und Tochter Viktorie. Die Morde verübte er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Jan. Diesem Jan veränderte Präsident T. G. Masaryk die Todesstrafe auf Lebenszeit.

Es wurde weiter 33-jähriger Jindřich Bažant aus Pardubice hingerichtet, der in Tatra seine zwei Geliebten ermordete und die dritte Geliebte ermorden zu versuchte. Die Strafe wurde in Kutná Hora am 26. juni 1927 ausgeführt. Bažant war mit seinen 47 Kg vielleicht der leichteste Hingerichtete in Wohlschlägers Berufslaufbahn. Vor der Exekution lehnte er die Nahrung ab und spiegelte eine Geisteskranheit vor dadurch, dass er sein eigenes Hemd aufaß, zu dem noch einige Nägel zugab.

Um fünf Tage später wurde in Prag 24-jährige Soldat František Sandtner hingerichtet, der in der Gemeinde Doyscherhof bei Marienbad mit einer Axt Bauer Döllner ermordete, auch seine Frau, ihre zwei Kinder und eine Dienerin. Aus dem Gehöft holte er 270,- Kč in bar, 6 Eier und ein Pfund Butter ab.

Der letzte Wohlschlägers "Klient" war ein "unaufgegriffen Räuber", 27-jähriger Soldat Martin Lecián aus Předměstí bei Uherský Ostroh, der aus insgesamt 104 Straftaten (einschließlich 10 Morde) angeschuldigt wurde. Die Hinrichtung fand am 3. November 1927 auf dem Hof des Divisionsgerichts in Olmütz statt.

Nach dem Leciáns Tod entstand eine Legende über seiner Unaufgreifenkeit dank Seil aus einem Hingerichtenen. Diese Legende nach sollte Lecián dieses Seil in seiner Tasche auch bei der Hinrichtung haben. Die Legende hat aber einen Realgrunt - nach der Leciáns Hinrichtung wurde in dem Gerichtsmuseum in Olmütz sein Räubergerät deponiert, einige seine persönliche Sachen und auch das Seil mit dem Galgenstrick, mit dem er gehangen wurde. Es war nämlich die letzte (24-ste) Wohlschlägers Exekution. Und auf einmal sah ein Besucher nebeneinander Gegenstände, die Lecián gehörten, nur das "Stück Henkersseils" gehörte ihm nicht, aber das wurde bald vergessen.

Mit Leciáns Hinrichtung beendete Leopold Wohlschläger seine Wirksamkeit im Dienst der Justiz. Auf seinen Platz wurde aus 200 Anwärter (zwischen ihnen auch eine Frau) sein Schwiegersohn Nehyba ausgewählt. Bis Anfang des II. Weltkriegs wurden weitere 17 Personen hingerichtet. Es ist interessant, dass Gerichte in der Zeit der I. Republik (1918 - 1938) Todesurteil sehr oft fällten. Präsident T. G. Masaryk änderte sie in fast 400 Fällen auf Lebensdauer.

Die Todesstrafe wurde in der Tschechischen Republik am 2. Mai 1990 aufgehobt, kurz nach der umfangreichsten Präsidentamnestie in unserer Geschichte. Die Kriminalitätswelle, die nach dieser Amnestie kam, völlig bewies Masaryks Wörter, dass die Todesstrafe unmöglich durch eine Revolution aufzuheben ist... Präsident Václav Havel amnestierte bis Ende 2002 noch 1948 Mal. Zwischen Amnestierten war auch ein Mörder oder Bankräuber.

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